Zum 200. Geburtstag B.
G. Teubner
(Papier und Druck Leipzig / 1984):
B. G.
Teubners Weg zum mathematischen Satz
„...
gelang es ihm, alle Zweige der typographischen Thätigkeit in seiner Officin zu
vereinigen und zu einer Vollkommenheit auszubilden, die den Erzeugnissen seiner
Pressen einen europäischen Ruf erworben hat“, hieß es 1856 in einem Nachruf auf
Benedictus Gotthelf Teubner, abgedruckt im Leipziger Tageblatt und im
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel.
Teubner, der mit vierzehn Jahren bei dem Dresdner Hofbuchdrucker C. C. Meinhold
die Schriftsetzerlehre begann und auf Grund seines außergewöhnlichen Fleißes
vier Monate vor Ablauf der Lehrzeit „Kunstgenosse“ wurde, hatte sich schon
während seiner Wanderjahre im komplizierten fremdsprachlichen Satz ausbilden
lassen. In Preßburg erlernte er das Setzen ungarischer und slawonischer Texte,
auf Reisen nach Italien und Frankreich wollte er sich weiteren Sprachen
zuwenden.
Jedoch
sollte es dazu nicht kommen, denn bereits 1806 führte Teubner als
„verantwortlicher Factor“ die Weinedelsche Buchdruckerei in Leipzig. Zwei Jahre
später starb Teubners Schwager J. C. Weinedel, und 1809 starb Weinedels Witwe.
„Nach den Zunftgesetzen hatten die Erben das Recht, die Druckerei noch drei
Jahre lang fortführen zu lassen, und wie in diesem Falle die Sache lag, war ja
Teubner schon vorher so gut wie verantwortlicher Leiter und hatte als solcher
den Zensureid leisten müssen, wozu der Chef verpflichtet war...“, schrieb F.
Schulze zu Beginn unseres Jahrhunderts. Schließlich kaufte Teubner die Druckerei
und führte sie ab 1811 unter eigenem Namen weiter.
Entwicklung der drucktechnischen Voraussetzungen
In jener von Kriegswirren überschatteten Zeit
war ein Neubeginn sehr schwer. Teubners Hauptkunde blieb vorerst die
Weidmannsche Buchhandlung, aber schon 1816/17 rückte F. A. Brockhaus an die
erste Stelle der Auftraggeber. Teubner betrieb inzwischen die größte Offizin
Leipzigs, erhöhte die Zahl seiner Pressen auf zehn, 1819 auf fünfzehn.
Seinerzeit wurde jedoch vor allem am teuren Handsatz verdient, weniger am Druck, denn nur die Satzkosten blieben bei allen technischen Neuerungen eine relativ konstante Größe. So schrieb Teubner am 16. Juli 1816 an Brockhaus, für den er unter anderem mehrere Bände des Konversationslexikons druckte: „Ich wollte Ihnen die Hände küssen, wenn Sie statt zwei Ballen (10.000) Auflage nur einen halben Ballen (2.500) machten. Denn nur bei kleinen Auflagen gewinnt ein Prinzipal, d. h., er muß mehrere Bogen in einer Woche drucken, als Anzahl der Auflage; nur auf diese Art kann er einem geordneten Fortgang seines Geschäftes mit Zuversicht entgegensehen; so aber nicht.“
Schon frühzeitig holte Teubner auch Informationen über die von Friedrich Koenig erfundene Schnellpresse ein. Der aus Eisleben stammende Koenig hatte bei Breitkopf & Härtel die Buchdruckerkunst erlernt, danach mehrere Jahre Mathematik und Mechanik studiert und in England die erste Rotationsdruckmaschine erstellt, auf der die Londoner „Times“ gedruckt wurde. Einen deutschsprachigen Prospekt legte die Firma Koenig & Bauer im November 1818 vor, und am 5. Februar 1819 schrieb Teubner an die „Herren Koenig & Bauer, berühmte Machinisten, Würzburg“. Aus dem Brief geht hervor, daß Teubner beabsichtigte, die Zahl seiner Drucker zu verringern. Zum Kauf der neuen Maschine konnte er sich aber noch nicht entschließen; in der Folgezeit wurden lediglich technische Verbesserungen an den bereits vorhandenen Handpressen vorgenommen. 1826 erwarb Friedrich Brockhaus als erster Leipziger Buchdrucker eine Schnellpresse.
Nachdem Teubner jedoch im Zeitungswesen Fuß gefaßt hatte, nahm er im Juni 1834 erneut Verbindung mit der Firma Koenig & Bauer auf und bestellte ebenfalls eine Schnellpresse. Nun erweiterte B. G. Teubner seinen Betrieb zielgerichtet, brachte ihn auf den neuesten Stand „cultivierter Druckweisen“. 1835 entstand eine eigene Schriftgießerei, im darauffolgenden Jahr eine Stereotypie, und im September 1845 betrieb er dreißig Handpressen in Leipzig sowie acht in seiner Dresdner Filiale, außerdem fünf Schnellpressen in Leipzig und weitere zwei in Dresden.
Mit dem Einsatz von Maschinen erhöhte sich in vielen Betrieben auch der Anteil minderwertiger Druckerzeugnisse, so daß Teubners ständiges Bemühen um beste Qualität ihm immer neue Autoren zuführte.
Die
Entwicklung hin zum kapitalistischen Konzern ließ aus dem vertrauten Umgang des
Druckers Benedictus Gotthelf Teubner mit seinen Gehilfen aber zunehmend
unpersönliche Abhängigkeitsverhältnisse entstehen. Dies belegen verschiedene
Dokumente, sogar ein Zitat aus der 1911 erschienenen Festschrift des Verlages:
„Eine völlig neue Erfindung waren die sogenannten Bogenanlegeapparate, die von
einem auf der Schnellpresse aufgelegten Stapel die Druckbogen selbsttätig dem
Zylinder zuführen und die sogenannten ‚Anlegerinnen’ ersetzen sollen. Die
Bedeutung dieser Erfindung liegt weniger in der Ersparnis an Löhnen als in der
Unabhängigkeit von weiblichem Personal, in dessen Verwendung für Überstunden
usw. die gesetzlichen Bestimmungen eine große Beschränkung auferlegen.“
Erste Beschäftigung mit mathematischem Satz
Unvollkommene mathematische Drucke waren
bereits in einigen Euklid-Ausgaben des 15. Jahrhunderts vorhanden, jedoch erst
Breitkopf wandte sich verstärkt dem mathematischen Satz zu. Falkenstein schrieb
in seiner 1840 bei Teubner erschienenen „Geschichte der Buchdruckerkunst“: “Erst
der unermüdlich tätige Breitkopf zog diesen Zweig der Typometrie wieder aus
ihrem Dunkel hervor und machte wiederholt Versuche im mathematischen Drucke,
sowie in der Herstellung von Kunstzeichnungen...“.
Bei Teubner kam mathematischer Satz erstmals im Jahre 1816 vor, als er für die Weidmannsche Buchhandlung die vierte Auflage des Logarithmisch-trigonometrischen Handbuchs von Georg v. Vega druckte. Vegas Werk ist – abgesehen von wenigen Formeln im einleitenden Kapitel und im Anhang – eine reine Sammlung von „zum Gebrauch der Mathematik eingerichteten Tafeln“. Jedoch blieb dieser Druckauftrag noch ein Einzelfall, denn die Teubnersche Offizin war vor allem für die Herstellung philologischer Schriften bekannt.
Erst Mitte des 19. Jahrhunderts ließen die enormen Fortschritte in den Naturwissenschaften die Erkenntnis reifen, daß den mathematisch-technischen Disziplinen wachsende Bedeutung zukommen wird. Auch Teubner erkannte, daß mathematische Publikationen in verstärktem Maße notwendig und absetzbar sein werden.
Anfangs erschienen einzelne technische Bücher: 1845 das Werk „Elemente von Maschinen, zunächst als ein Leitfaden für Gewerbschüler“ von F. Kohl oder 1848 C. J. Schneitlers „Die Instrumente und Werkzeuge der höheren und niederen Meßkunst sowie der geometrischen Zeichenkunst, ihre Theorie, Konstruktion, Gebrauch und Prüfung“. Kohls zweispaltig gesetztes Buch enthält einige wenige mathematische Formeln und „102 in den Text eingedruckte Holzschnitte“. Im Vorwort schreibt der Autor: „Gegen die Verlagshandlung, welche in Bezug auf die Ausstattung der aus ihr hervorgehenden Werke so wetteifernd dasteht, fühle ich mich gedrungen, für die auf die vorliegende Schrift verwendete Sorgfalt, sowie noch deshalb, daß sie durch einen möglichst billig gestellten Preis deren Anschaffung erleichterte, meinen Dank auszusprechen.“
Im Jahre
1849 edierte der Teubner-Verlag sein erstes mathematisches Werk: „Lehrbuch der
descriptiven Geometrie, Heft 1“ von Traugott Franke, einem Dresdner
Mathematikprofessor. Der zweite Teil dieses Buches ist nicht erschienen, denn
Franke nahm 1849 einen Ruf an die Polytechnische Schule in Hannover an und wurde
in der Folgezeit durch verschiedene Umstände an der Fertigstellung des
Manuskriptes gehindert.
Anfänge des mathematischen Verlages
Vermutlich
war es die gute Druckausführung der technisch schwierigen griechischen und
lateinischen Textausgaben, die Mathematiker auf den Teubner-Verlag aufmerksam
werden ließ. F. Schulze, der noch die Möglichkeit hatte, sich auf das
umfangreiche Verlagsarchiv zu stützen, bemerkte dazu: „Jedenfalls sprechen es
die verschiedensten Autoren in ihren Briefen an den Verlag immer wieder aus, daß
es gerade der schöne und sorgfältige Satz der bisher verlegten Werke ist, der
sie veranlasse, auch ihrerseits ihre Werke dem Verlage anzubieten.“
Als besonders fruchtbar erwies sich in den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts die enge Zusammenarbeit mit der Dresdner Technischen Bildungsanstalt. Von Anfang an war Frankes Amtsnachfolger in Dresden, Oskar Schlömilch, Teubners wichtigster mathematisch-naturwissenschaftlicher Berater. Schlömilch war es auch, der tatkräftig mithalf, den noch jungen mathematischen Verlag trotz einiger Anfangsschwierigkeiten auszubauen. Beispielsweise verursachte das 1853 erschienene „Lehrbuch der analytischen Mechanik“ von Duhamel erhebliche Kosten, weil der von Schlömilch vorgeschlagene Übersetzer Eggers so nachlässig arbeitete, daß Schlömilch schließlich das Original selbst noch einmal übersetzte, obwohl der Satz bereits weit fortgeschritten war. Am 19. Dezember 1852 schrieb Schlömilch an Teubner: „Nehmen Sie im voraus die Versicherung, daß der ärgerliche Eggerssche Handel Niemanden fataler sein kann, als mir selbst, der ich Sie sozusagen in die Dinte geführt habe. Freilich ist dies insofern meine Schuld nicht, als man einem Manne, dem es an tüchtigen Kenntnissen nicht fehlt, und den das sonst löbliche Streben literarisch bekannt zu werden, beseelte, doch wohl kaum zutrauen wird, daß er bei seinem ersten Versuche mit solchem bodenlosen Leichtsinn verfahren werde.“
Bemerkenswert ist an diesem Buch auch folgendes: Mehrere Abbildungen, die das Verständnis der behandelten mathematischen Sachverhalte erleichtern oder erst ermöglichen, erscheinen mehrfach. Dem Leser wird zusätzliches Blättern im Buch erspart, denn die in den Text eingebauten Abbildungen stehen stets dort, wo sie inhaltlich benötigt werden. Diese Lesehilfe nimmt fast schon vorweg, was heute beim Arbeiten mit computergesteuerten Grafikbildschirmen leicht möglich ist, nämlich anstelle eines Verweises auf eine Zeichnung die betreffende Figur bei Bedarf beliebig oft zu wiederholen.
Neben der Einflußnahme auf die Richtung des neuen Verlagszweiges wirkte Schlömilch zugleich als Autor, Herausgeber, Übersetzer, und zum ersten verlegerischen Erfolg wurde das 1855 erschienene „Lehrbuch der analytischen Geometrie“ von O. Fort und O. Schlömilch.
Während noch im Verlagskatalog von 1861 die angewandten Wissenschaften – dazu zählten neben der Mathematik auch Gewerbekunde, Maschinenwesen und Eisenbahnbau – erst an zehnter Stelle standen, legte Teubner später umfangreiche Mathematikkataloge vor. Das 1908 erschiene Verlagsverzeichnis „auf dem Gebiete der Mathematik, Naturwissenschaften und Technik nebst Grenzwissenschaften“ enthielt auf 392 Druckseiten die Werke namhafter Wissenschaftler des In- und Auslandes.
Klagte bereits B. G. Teubner über Schwierigkeiten beim Korrekturversand innerhalb Deutschlands, so erwähnten seine Nachfolger anläßlich der Hundertjahrfeier des Verlages 1911 „Autoren, die ein halb Dutzend Mitleser in aller Herren Länder haben und es unter vier bis fünf Korrekturen nicht tun“.
Den
gewaltigen Aufschwung seines mathematischen Verlages erlebte Benedictus Gotthelf
Teubner, dessen Geburtstag sich am 16. Juni dieses Jahres zum zweihundertsten
Male jährte, nicht mehr. Teubner starb 1856. Wenige Jahrzehnte später
entwickelte sich sein durch philologische Literatur weltbekanntes Verlagshaus
auch zum international führenden Mathematikverlag.
(Quelle:
Weiß, J.:
B. G.
Teubners Weg zum mathematischen Satz.
Papier
und Druck 33(1984)11, S. 509-511.)
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Seite erstellt: Leipzig, 21.02.2002.
© Stiftung Benedictus Gotthelf Teubner (i. G.), Leipzig, 2002.