Zum 175-jährigen Firmenjubiläum B. G. Teubner
(TEUBNER-ARCHIV zur Mathematik, Band 5 / 1986):



Felix Klein und der Verlag B. G. Teubner

Anmerkungen zur Entstehung des mathematischen Verlagszweiges
 

„Die Verlagsbuchhandlung B. G. Teubner ist die Heimstätte der deutschen Mathematik geworden“, schrieb 1911 die Deutsche Mathematiker-Vereinigung in einer Grußadresse. Ebenfalls zur Hundertjahrfeier des Verlages überbrachte Felix Klein die Grüße der Redaktion der „Mathematischen Annalen“, und in der auf den Seiten 274/275 dieses fünften Bandes der Reihe „TEUBNER-ARCHIV zur Mathematik“ abgedruckten Adresse wird über jene „Teubnersche Entdeckungszeitschrift“ ausgesagt: „In der stolzen Reihe ihrer Bände kommt die gesamte Entwickelung der Mathematischen Wissenschaften nahezu der letzten fünfzig Jahre wie in keiner andern Zeitschrift zu allseitigem Ausdruck.“

Diese und andere Würdigungen werden verständlich, sichtet man die seinerzeit im Verlag erschienenen mathematischen Reihen, Werkausgaben, Monographien, die populärwissenschaftlichen Abhandlungen und nicht zuletzt die mathematischen Zeitschriften. Teubners mehrere hundert Druckseiten umfassende Kataloge „auf dem Gebiete der Mathematik, Naturwissenschaften und Technik nebst Grenzwissenschaften“ verzeichneten zu Beginn unseres Jahrhunderts Werke führender Mathematiker: N. H. Abel, J. und W. Bolyai, P. G. L. Dirichlet, L. Euler, C. F. Gauss, D. Hilbert, O. Hölder, F. Klein, L. Kronecker, S. Lie, N. I. Lobatschewski, H. Minkowski, G. Peano, H, Poincare, B. Riemann, um nur einige zu nennen.

Besonders deutlich wird die rasante Aufwärtsentwicklung des mathematischen Verlagszweiges, zieht man zum Vergleich den Jubiläumskatalog des Jahres 1861 heran. Damals rangierten die angewandten Wissenschaften, zu denen die Mathematik gezählt wurde, unter den vierzehn vom Verlag besonders gepflegten Wissenschaftsgebieten lediglich an zehnter Stelle.

Die Altphilologie stand hingegen von Anfang an im Mittelpunkt, und dies ist in erster Linie auf Teubners Vorliebe für den Satz fremder Sprachen zurückzuführen.

Benedictus Gotthelf Teubner (16.6.1784 bis 21.1.1856) war gelernter Schriftsetzer und galt als Spezialist für griechische und lateinische Textausgaben. 1811 übernahm er die Leipziger Buchdruckerei seines Schwagers J. C. Weinedel, die er fortan unter eigenem Namen weiterführte. 1823 begann Teubner selbst mit dem Verlegen philologischer Werke, und 1849 begründete er die „Bibliotheca Teubneriana“.

Gleichfalls 1849 edierte Teubner mit T. Frankes  „Lehrbuch der descriptiven Geometrie“ erstmals ein mathematisches Werk, nachdem zuvor bereits einige Abhandlungen technisch-naturwissenschaftlichen Inhalts erschienen waren. In der Festschrift zur Hundertjahrfeier wird die Vermutung ausgesprochen, daß es vor allem Teubners sorgfältige Ausführung des komplizierten, fremdsprachigen Satzes war, die Mathematiker und Naturwissenschaftler veranlaßte, ihre Manuskripte zur Veröffentlichung einzureichen. Beispielsweise schrieb am 15. Januar 1848 der Berliner Ingenieur C. F. Schneitler: „Die schöne Ausstattung Ihres Verlages bewogen mich, das Werk Ihnen anzubieten.“

Begünstigt durch die umwälzenden technischen Erfindungen jener Zeit und durch die neue gesellschaftliche Stellung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen bildete sich die Mathematik schon bald als zweiter Schwerpunkt der verlegerischen Arbeit heraus. Noch zu Teubners Lebzeiten war der Dresdner Professor Oskar Schlömilch (13.4.1823 bis 7.2.1901) wichtigster mathematischer Berater. Zum Aufschwung dieses jungen Verlagszweiges trug aber vor allem die Gründung der Zeitschrift „Mathematische Annalen“ im Jahre 1868 bei. Verlagschronisten bezeichneten jenes Jahr später auch als „für die Entwicklung von Teubners mathematischem Verlage nach mehr wie einer Seite bedeutungsvoll“, denn am 27. Mai 1868 schrieb erstmals der neunzehnjährige „F. Klein stud. math., früherer Assistent bei Plücker“ an den Verlag, und zwar im Namen der Plückerschen Erben.

Als Julius Plücker am 22. Mai 1868 in Bonn starb, lag erst ein Teil seiner mit großem Interesse erwarteten „Neuen Geometrie des Raumes“ druckfertig vor; der zweite Teil erschien 1869, herausgegeben und für die Drucklegung vorbereitet von Felix Klein. 1873 trat Klein in die Redaktion der „Mathematischen Annalen“ ein, drei Jahre später übernahm er die Hauptredaktion. In Teubners einhundertstem Verlagsverzeichnis 1904 füllten Felix Kleins zahlreiche Veröffentlichungen bereits fast vier Druckseiten, und zwar ohne Berücksichtigung seiner verdienstvollen Tätigkeit als Herausgeber und Verfasser von Vorworten.

Vor allem während Kleins Leipziger Zeit von 1880 bis 1886 bildeten sich sehr enge Beziehungen zum Verlag B. G. Teubner heraus. 1882 erschien sein erstes Buch „Über Riemann’s Theorie der algebraischen Functionen und ihrer Integrale“, 1884 wurden seine „Vorlesungen über das Ikosaeder und die Auflösung der Gleichungen vom fünften Grade“ gedruckt. In jenen wissenschaftlich höchst produktiven Jahren empfahl er dem Verlag aber auch zahlreiche Manuskripte seiner Schüler zur Veröffentlichung.

Mit der Gründung des Mathematischen Seminars der Leipziger Universität und mit der Einrichtung eines „allgemeinen mathematischen Lesezimmers“ ebnete Klein langfristig den Weg für weitere mathematische Publikationen. Als umsichtiger Wissenschaftsorganisator ließ er von Assistenten angefertigte Nachschriften seiner Vorlesungen im Lesezimmer auslegen.

In gleicher Weise verfuhr Klein nach seiner Berufung an die Universität Göttingen: er richtete ein Lesezimmer ein, und im 1907 bei Teubner edierten „Katalog des mathematischen Lesezimmers der Universität Göttingen“ faßte er die Erfahrungen mehrerer Jahrzehnte wie folgt zusammen: „Ich erwähne ferner, daß die mathematischen Dozenten immer mehr dazu übergegangen sind, Ausarbeitungen der von ihnen gehaltenen Vorlesungen unter ihrer Aufsicht anfertigen zu lassen und auf dem Lesezimmer auszulegen, so daß der Student, wenn er einzelnes nicht völlig aufgefaßt hat, dort Rats holen kann.“

In den Jahren 1889 - 1896 veröffentlichte Klein schließlich seine autographierten Vorlesungshefte. Diese von Mitarbeitern handschriftlich ausgearbeiteten Vorlesungen erschienen im zeit- und kostensparenden Steindruckverfahren, das A. Senefelder 1797 in München erfunden hatte und das nach Kleins Worten bereits „in anderen Ländern, wie vor allem Frankreich und Italien, sehr häufig angewandt“ worden war.

Zahlreiche weitere Fakten wären zu nennen: Kleins langjährige, umsichtige Leitung der Annalen-Redaktion, sein unermüdliches Vorantreiben der vielbändigen „Encyklopädie der Mathematischen Wissenschaften“, seine Verdienste um die Mathematikausbildung, und sicher gibt es historisch bedeutsame Einzelheiten, die nach der fast vollständigen Vernichtung von Teubners Verlagsgebäude, Bibliothek, Beständen und Archiv am 4. Dezember 1943 nicht mehr im einzelnen rekonstruierbar sind.

In einer 1923 in Göttingen, zwei Jahre vor seinem Tode, verfaßten Selbstbiographie erinnert sich Klein mehrfach der „altbewährten Verlagsbuchhandlung Teubner“. An gleicher Stelle gedachte er im Zusammenhang mit den umfangreichen Enzyklopädie-Bänden „des Verdienstes, das sich die Teubnersche Verlagsbuchhandlung durch die Übernahme und glänzende Durchführung der Herausgabe dieses Werkes um unsere mathematische Wissenschaft bisher erworben hat“, und er nannte eine Aufgabe für die ihm noch verbleibenden Jahre: die „Bearbeitung meiner früheren Vorlesungen, die teils autographiert, teils in schriftlicher Ausarbeitung vorliegen, solange meine Kraft ausreicht“.

Der vorliegende fünfte Band des „TEUBNER-ARCHIVS zur Mathematik“ enthält die ersten beiden Teile der von Felix Klein 1891/92 an der Universität Göttingen gehaltenen und 1892 autographierten Vorlesungen über Riemannsche Flächen.

 

(Die „Riemannschen Flächen“ wurden nach einer von Klein selbst angefertigten Ausarbeitung autographiert; ein Nachdruck erschien 1906, ebenfalls bei B. G. Teubner.)

 

 

(Quelle:
Klein, Felix: Riemannsche Flächen.
Vorlesungen, gehalten in Göttingen 1891/92.
Hrsg.: Eisenreich, Günther / Purkert, Walter.
TEUBNER-ARCHIV zur Mathematik, Band 5 (1986), S. 276 - 278.)
 

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Seite erstellt: Leipzig, 21.02.2002.

 

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