Ziegler, Dorothea:
Notizen
zur Entwicklung von Mathematik-Lehrbüchern
im Teubner-Verlag Leipzig
In den 50er Jahren riefen Horst Schubert (später Professor
an der Universität Halle) und mein Mann,
Viktor Ziegler, die
neue Lehrbuchreihe "Mathematisch-Naturwissenschaftliche Bibliothek" ins Leben.
Damit griff der Verlag die bewährte Teubner-Tradition auf, Buchreihen zu
etablieren. Das erfolgreiche Teubner-Reihenprinzip fand sowohl bei Lesern und
Autoren als auch bei Bibliothekaren und Buchhändlern Anerkennung und war für
alle eine willkommene inhaltliche und optische Orientierungshilfe. Bereits 1960 lagen 20 Bände
im Rahmen dieser neuen Reihe vor, davon 15 Mathematiktitel. Dazu gehörten einige
Übersetzungen, vor allem aber kamen junge Autoren zu Wort, die meist als
Assistenten an Universitäten und Hochschulen der DDR arbeiteten. Insgesamt sind
bis 1990 in dieser Reihe mehr als 70 Bände erschienen, und die früheren Assistenten sind
fast alle Professoren geworden.
Ein anderer Lehrbuchschwerpunkt war die Mathematikausbildung für Ingenieure und
Naturwissenschaftler. Das mehrbändige Werk des 1942 verstorbenen Teubner-Autors
Rudolf Rothe "Höhere Mathematik für Mathematiker, Physiker, Ingenieure" war seit
Jahrzehnten gut eingeführt. Bis Mitte der 60er Jahre sind von einzelnen Bänden
noch Nachauflagen erschienen, und zwar sowohl bei Teubner in Leipzig als auch
bei Teubner in Stuttgart. Aber schon seit Ende der 50er Jahre bemühte man sich
um ein Nachfolgewerk, denn "der Rothe" entsprach nicht mehr den aktuellen
Ausbildungsanforderungen. Schließlich gelang es, in enger Zusammenarbeit mit
Professor Karl Manteuffel (Magdeburg), die neue Teubner-Reihe "Mathematik für
Technische Hochschulen" zu konzipieren und ins Leben zu rufen. (Siehe hierzu
auch den für diese Homepage in Vorbereitung befindlichen Beitrag von Karl
Manteuffel: Abenteuer Lehrbuch / Mathematik für Technische Hochschulen.) Um den Studenten schnell Literatur in die Hand zu geben, griff man
zunächst auf Übersetzungen zurück (z. B. die Bände von N. S. Piskunow). Diese wollte man später
durch neue Eigenentwicklungen ersetzen. Doch dazu kam es nicht. Inzwischen war
auch dem
Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen (MHF) endlich aufgefallen, dass es auf dem Gebiet
Mathematik für Ingenieure an Literatur fehlte. Von der neuen Teubner-Reihe
"Mathematik für Technische Hochschulen" hatte es offenbar überhaupt noch nicht
Kenntnis genommen. Möglicherweise gab es da auch Rivalitäten zwischen den
Hochschulen ...
Schließlich wurde vom MHF in Berlin eine
Arbeitsgruppe berufen, um in Klausur ein neues Lehrwerk zu konzipieren, das
nicht nur für Naturwissenschaftler und Ingenieure, sondern auch für Ökonomen und
Landwirte die notwendige mathematische Ausbildungsliteratur liefern sollte. Man
wollte das Werk auf mehrere Verlage verteilen, vermutlich auch, um Zeit zu
gewinnen. Leiter dieser Arbeitsgruppe wurde Professor Horst Erfurth (Merseburg).
Als ich das erfuhr, habe ich mich mit ihm in Verbindung gesetzt. Nach einer
längeren Aussprache konnte ich ihn überzeugen, dass so ein Werk nur in einem
Verlag erscheinen kann. Da ihm auch unsere Verlagsbedingungen zusagten, begann
die Zusammenarbeit, und der Hauptteil des neuen Teubner-Lehrwerkes "Mathematik
für Ingenieure, Naturwissenschaftler, Ökonomen und Landwirte" erschien in den
70er Jahren. Der aus den Anfangsbuchstaben der betreffenden Fachrichtungen
zusammengesetzte Reihenname MINÖL (er erinnerte an die MINOL-Tankstellen in der
DDR) entstand eigentlich mehr aus Jux auf einer Klausurtagung der Arbeitsgruppe,
hat sich dann aber doch im Umgangssprachgebrauch eingebürgert. Bis 1990 lagen
31 Titel im Rahmen dieses erfolgreichen Lehrwerkes vor.
In der Teubner-Nachfolgereihe "Mathematik für Ingenieure und
Naturwissenschaftler", herausgegeben von den Professoren Otfried Beyer, Horst
Erfurth, Christian Großmann, Horst Kadner, Karl Manteuffel, Manfred Schneider,
Günter Zeidler folgten bis heute weitere 12 neue Bände sowie 20 Nachauflagen bewährter Reihentitel.
(Quelle:
Dorothea Ziegler, Frauwalde / Archiv der Stiftung Benedictus Gotthelf Teubner,
Leipzig, 2002.)
Erstveröffentlichung online am
21.02.2002 unter www.stiftung-teubner-leipzig.de
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Seite erstellt:
Leipzig, 21.02.2002.
© Stiftung Benedictus Gotthelf Teubner (i. G.), Leipzig, 2002.