Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften

Institutsgebäude MPI Mathematik in den Naturwissenschaften

Institutsgeschichte

Angesichts der immer stärkeren Mathematisierung fast aller Naturwissenschaften und der bedeutenden Entwicklung der mathematischen Fachgebiete der Analysis und Geometrie in Deutschland entschloß sich die Max-Planck-Gesellschaft zur Gründung eines Max-Planck-Instituts mit der Thematik "Mathematik in den Naturwissenschaften". Dieses Institut wurde am 1. März 1996 gegründet.

Das Institut arbeitet eng mit der traditionsreichen Leipziger Universität zusammen. Es gehört dem Verbund ERCOM der führenden europäischen Forschungsinstitute auf dem Gebiet der Mathematik an. Das Institut organisiert in regelmäßigen Abständen Tagungen. Die Themen und weitere ausführliche Informationen zu den Arbeitsgebieten und Gästen findet man auf der Homepage external link www.mis.mpg.de.

Wissenschaftliche Mitglieder, Direktoren:

Prof. Dr. Wolfgang Hackbusch,
Prof. Dr. Jürgen Jost,
Prof. Dr. Stefan Müller,
Prof. Dr. Eberhard Zeidler
Die Direktoren Hackbusch, Jost
und Müller sind Leibniz-Preisträger

Institutsprofil

Aufgabe des Instituts ist es, auf dem Gebiet der reinen und angewandten Mathematik zu forschen und den Ideenfluß zwischen der Mathematik und den Naturwissenschaften in beide Richtungen zu fördern. Die historische Erfahrung zeigt, daß grundlegende Probleme der Physik, der Chemie, der Biologie und anderer Wissenschaften zu wichtigen neuen Entwicklungen in der Mathematik geführt haben, während die Mathematik ihrerseits einen tiefgreifenden Einfluß auf diese Gebiete ausgeübt hat. Beispielsweise führten Fouriers Untersuchungen der Wärmeleitungsgleichung zur Entwicklung der Theorie der Fourierreihen und allgemeiner zur Schaffung der harmonischen Analyse. Seine praktische Arbeit als Landvermesser inspirierte Gauß, einen der größten Mathematiker aller Zeiten, zu seiner Flächentheorie und zur Entwicklung der Differentialgeometrie, die heute die Grundlage der Einsteinschen allgemeinen Relativitätstheorie und des Standardmodells in der Elementarteilchenphysik bildet. Heisenbergs Formulierung der Quantenmechanik beschleunigte die Entwicklung der Funktionalanalysis, insbesondere der Spektraltheorie für Operatoren. Schließlich wird das Standardmodell der Elementarteilchen im Rahmen von Eichfeldtheorien formuliert, die auf einer tiefen Synthese zwischen Physik, Geometrie (Topologie) und Analysis basieren.

Fachbeirat (ab 1.1.1999):

Prof. Dr. Jean Pierre Bourguignon,
Bures-sur-Yvette/Frankreich
Prof. Dr. Helmut Hofer, New York/USA
Prof. Dr. Karl-Heinz Hoffmann, München
Prof. Dr. Richard James, Minneapolis/USA
Prof. Dr. Pierre Louis Lions, Paris/Frankreich
Prof. Dr. Jan Louis, Halle
Prof. Dr. Ekhard Salje, Cambridge/UK

Die Hauptgebiete der mathematischen Forschung am Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften sind Analysis, Geometrie, mathematische Physik und wissenschaftliches Rechnen. Ein zentrales Forschungsthema ist dabei die Theorie der nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen. Zu den speziellen Schwerpunkten gehören

Die meisten dieser mathematischen Modelle führen typischerweise auf partielle Differentialgleichungen mit starken Nichtlinearitäten, deren Lösungen Singularitäten besitzen oder komplizierte Oszillations- und Konzentrationseffekte beschreiben. In der Praxis entsprechen diesen mathematischen Effekten beispielsweise Schockwellen, Turbulenzen, Materialdefekte oder Mikrostrukturen, die man unter dem Mikroskop beobachtet. Ein besseres Verständnis dieser Phänomene erfordert eine ausgeklügelte Modellbildung und deren analytische Untersuchung, um die signifikanten mathematischen Objekte zu erkennen. Das Zusammenwirken zwischen der Mathematik und den modernen Naturwissenschaften beinhaltet ein breites Spektrum an Themen, die einerseits Gebiete umfassen, welche schon eine starke Wechselbeziehung mit der Mathematik besitzen, wie die statistische Physik, die Elementarteilchenphysik, die Kosmologie, die Himmelsmechanik oder die Kontinuumsmechanik, und die andererseits mit Forschungsfeldern zusammenhängen, deren Mathematisierung erst am Anfang steht, wie z. B. viele Fragen der Materialwissenschaften oder der Biologie.

Kuratorium:

Herbert Blomstedt, Leipzig
Dr. Heinz Gumin, München
Peter Gutjahr-Löser, Leipzig
Dr. Joachim Heinze, Heidelberg
Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, Dresden
Gero von Randow, Hamburg
Reiner Rusch, Leipzig
Dr. h. c. Lothar Späth, Jena
Wolfgang Tiefensee, Leipzig
Dr. h. c. Klaus Tschira, Heidelberg

Das Institut verfügt über wenige längerfristige Wissenschaftlerstellen. Analog zu anderen internationalen mathematischen Forschungsinstituten dominiert ein Gästeprogramm, welches Mathematikern aus allen Ländern offensteht. Gäste können für maximal zwei Jahre ans Institut kommen, um dort an wechselnden Forschungsschwerpunkten zu arbeiten. Die am Institut existierende herausgehobene Stelle des Sophus-Lie-Gastforschers wird in regelmäßigem Wechsel mir führenden Naturwissenschaftlern besetzt.

Ende 2000 waren insgesamt 37 Mitarbeiter (einschließlich Drittmittelbeschäftigte) am Institut tätig, darunter 26 Wissenschaftler, dazu kamen 250 Nachwuchs- und Gastwissenschaftler.

Ausgewählter Forschungsschwerpunkt

Mathematische Materialwissenschaften

Viele Materialien verdanken ihre Eigenschaften einer inneren Struktur, die auf den ersten Blick verborgen ist. Die Natur benutzt oft eine ausgeklügelte Hierarchie von Skalen, um Materialien mit hoher Festigkeit und geringem Gewicht zu erhalten; feinskalig strukturierte Oberflächen wie die Schuppenhaut eines Fisches verringern den Strömungswiderstand. Auch technische Materialien sind oft Verbundwerkstoffe mit einer komplexen inneren Struktur: die Verstärkung eines leichten Materials durch ein Netzwerk von starken Fasern liefert hohe Zugfestigkeit bei geringem Gewicht; aufgeschäumte Materialien weisen ebenfalls ein sehr geringes Gewicht auf, und ihr komplexes Netzwerk aus Poren führt zu guten Dämpfungseigenschaften. Selbst scheinbar homogene Materialien wie Stahl sind in ihrem Verhalten wesentlich durch eine innere Struktur mikroskopisch kleiner Abscheidungen beeinflußt. Die Beschichtung von Oberflächen mit Strukturen, deren Größe etwa der Wellenlänge des Lichts entspricht, führt zu neuen optischen Eigenschaften. Die Festplatte eines Computers speichert Informationen in Form winziger magnetischer Domänenstrukturen.

Die Untersuchung solcher Mikrostrukturen und ihrer Auswirkung auf das globale Verhalten ist in den letzten Jahren ein sehr aktives Gebiet der Mathematik geworden. Dabei sucht man nach gemeinsamen Prinzipien, die der Vielfalt der Mikrostrukturen zugrunde liegen und nach Begriffen, die das Wesentliche einer Mikrostruktur erfassen und damit die ungeheuer aufwendige Auflösung aller Details vermeiden. Diese Suche hat zu neuen und häufig unerwarteten Verbindungen zu klassischen mathematischen Gebieten geführt und in einigen Fällen zur Lösung lange offener Fragen. Experimentell beobachtete Strukturen haben neue mathematische Konstruktionen inspiriert. Umgekehrt haben mathematische Modelle neue Kriterien geliefert, die bei der Suche nach Materialien mit interessanten Eigenschaften hilfreich sind. Mikrostruktur in einem
Cu-Al-Ni-Einkristall
(Chu & James).
Bildausschnitt ca. 1 mm x 0,7 mm.
Mikrostruktur

Die Untersuchungen beschränken sich nicht auf das Verhalten einzelner Materialien. Die Analysis von Mikrostrukturen spielt immer dann eine Rolle, wenn Effekte auf unterschiedlichen räumlichen Skalen interagieren. So ist das Verhalten einer Strömung wesentlich bestimmt durch eine Hierarchie von Wirbeln unterschiedlicher Größe. Für die Analyse von Grundwasserströmungen oder von Schadstoffausbreitung ist die komplexe Struktur des Bodens mit einem feinen Netzwerk von Einschlüssen und Hohlräumen von entscheidender Bedeutung. Ähnliche Fragen ergeben sich, wenn mehrere sehr unterschiedliche Zeitskalen auftreten, wie zum Beispiel bei der Simulation von Biomolekülen.

Materialien mit Gedächtnis. - Besonders interessant sind Materialien, deren innere Struktur nicht vorgegeben ist, sondern sich unter dem Einfluß der Umwelt ändern kann. Die Entwicklung solcher Materialien, die wegen ihrer Fähigkeit, sich der Umwelt anzupassen, manchmal als "intelligent" bezeichnet werden, ist ein sich rasch entwickelndes Forschungsgebiet. Eine solche Klasse sind die sogenannten Gedächtnismetalle. Sie lassen sich bei niedriger Temperatur leicht in jede gewünschte Form biegen, kehren aber bei kurzer Erhitzung stets in eine eingeprägte Form zurück. Sie haben zahlreiche Anwendungen im alltäglichen Leben ("unzerbrechliche" Brillengestelle), in der Automatisierung (temperaturabhängige schließende Ventile, Robotergelenke), der Raumfahrt (selbstentfaltende Antennen) und vor allem in der Medizin (Implantate, flexible chirurgische Instrumente) gefunden. Eine sich zur Zeit rasch entwickelnde Anwendung sind sogenannte "stents", die zur Stabilisierung der koronalen Arterie eingesetzt werden und in gewissen Fällen eine Bypassoperation ersetzen können.

Prof. Dr. Stefan Müller
Prof. Dr. Eberhard Zeidler

Max-Planck-Institut für Mathemtik in den Naturwissenschaften Leipzig
Inselstr. 22
04103 Leipzig
Telefon: (03 41) 99 59 -50
email: rluebke@mis.mpg.de
external link http://www.mis.mpg.de


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Siehe auch:

Teubner-Autoren und -Herausgeber
Mathematik / Naturwissenschaften / Informatik (1948 - 2000) / Auswahl ...



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Seite eröffnet: Leipzig, 18.09.2002.