Buchtipp:   

 
 
Erich Loest (Leipzig):
 
 

 
Träumereien eines Grenzgängers.
Respektlose Bemerkungen über Kultur und Politik.

 
 
 Stuttgart / Leipzig: 
 Hohenheim Verlag / Linden-Verlag 2001. 
 255 Seiten.
 ISBN 3-89850-031-4
 
 
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 Verlagsinformationen, Ladenpreise,
 Bestellmöglichkeiten u. ä., siehe:
 http://www.linden-buch.de

 
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 Der 1926 in Mittweida geborene
 Schriftsteller Erich Loest ist ein
 Grenzgänger zwischen Ost und
 West und auch zwischen Literatur
 und Politik.
 Dieser "Protokollführer der jüngeren
 deutschen Geschichte" (Sabine Brandt)
 liest den Deutschen in seinen Reden
 und Essays hin und wieder die Leviten.
 Er hält aber nicht nur Gardinenpredigten,
 sondern macht auch immer wieder
 originelle Vorschläge. Viele davon
 stehen in seinen Texten aus den
 letzten fünf Jahren, die in diesem
 Band versammelt sind.

 
Auswahl und Zusammenstellung der Zitate:  J. Weiß, Leipzig   /  weiss@stiftung-teubner-leipzig.de

 
Loest, E.: Träumereien eines Grenzgängers. S. 31:  

"
Mein Landsmann Karl: Über den sächsischen Bestsellerautor May / Februar 1995.
Als ich anfangs der siebziger Jahre begann, über Karl May zu schreiben, war er in der DDR eine Unperson. Er war mir seit der Kindheit nicht nur durch seine Bücher nahe gewesen. Von Mittweida, meiner Geburtsstadt, ist es nach Hohenstein-Ernstthal und Waldenburg so nahe, daß ein Tagesausflug mit dem Fahrrad möglich war. Am Markt von Mittweida wurde er, mehrfach rückfällig geworden, zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. An der Handkette eines Gendarmen wanderte er über Ringethal und Hermsdorf nach Waldheim hinunter. Da war auf lange Zeit zum letzten Mal der Himmel über ihm hoch und weit. Dann Waldheim, dann Radebeul. Von einer Felsenbühne in der Sächsischen Schweiz hallte in meiner Kindheit das Kampfgeschrei der Apachen.
Ich wollte über Karl May schreiben, nicht für oder gegen ihn. Dazu, wußte ich, würde ich lange nachdenken und viel lesen müssen. Mein Held hatte sieben Jahre hinter Gittern verbracht, ich auch. Er hatte es geschafft, sich durch die Zellenwände hinauszuträumen, ich hatte mich ebenfalls in dieser Kunst geübt. Langsam schrieb ich mich gerade aus der Isolierung hinaus, ein Prozeß, den er nur zu gut gekannt hatte.
Das Urteil in der DDR schien endgültig zu sein: Chauvinist, angeblich der Lieblingsautor Hitlers. Frömmelnd, alles Geschriebene erstunken, Hochstapler in jeglicher Hinsicht. Und wir hätten doch unterdessen so viel bessere, nämlich marxistische Literatur über die Indianer! Seine Bücher wurden nicht aufgelegt, der Radebeuler Karl-May-Verlag und seine Verlegerfamilie Schmid war in Richtung Bayern verschwunden. Nichts von ihm stand in den Bibliotheksregalen, die Antiquariate handelten mit seinen Büchern nicht. Nur in der 'Sächsischen Zeitung' in Dresden fand man hin und wieder eine Annonce wie: 'Tausche KM Bd. 28 und 43 gg. 53 und 56.' Anderen Zeitungen war die Aufnahme derartiger Anzeigen untersagt. Die Preise auf dem Schwarzen Markt gingen für einen Radebeuler Band bis zu hundert Mark.
"
 

 
Loest, E.: Träumereien eines Grenzgängers. S. 51:   

"Warum war gerade Leipzig im Herbst 1989 die Stadt mit den heißesten Demonstrationen? Darauf versuchen wir Antwort zu geben und merken immer an, daß die Messe und besonders die Buchmesse etliches vom Mief wegwehte, daß Messegast und Gastgeber an vielen Abenden in der Polstergarnitur vor der Schrankwand bei heimischem Bier und mitgebrachtem Whisky die deutschen Dinge beredeten. Da hatte die Mauer ein Loch."
 

 
Loest, E.: Träumereien eines Grenzgängers. S. 190:   

"Die Zeit der Grüßgottonkels ist vorbei, die montags einflogen und freitags die Kurve in Richtung Saarbrücken oder Heidelberg kratzten. Wer heute in Leipzig Position bezogen hat, holt Frau und Kinder nach. Wer drittklassig war und schnellen Aufstieg und flotte Münze erhoffte, ist längst wieder fort. Geblieben und geachtet sind die, ohne die nichts hätte geschafft werden können; Hinrich Lehmann-Grube, Oberbürgermeister in Leipzig, nun in einem helfenden Unruhestand, und die Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und Bernhard Vogel.

Erfolge beherrschen die Zeitungsüberschriften, nicht jeden Tag aber gibt es über eine große Menschengruppe neue Schlagzeilen, die der Arbeitslosen auf Dauer. Da bewegt sich wenig, manchmal, gerade jetzt, kommen ein paar Bauarbeiter auf der Minusseite hinzu. Die meisten sind Opfer des Zusammenbruchs ganzer Industriezweige vor zehn und neun Jahren. Sie werden oft als die Opfer der Wende bezeichnet; ich halte das für falsch. Sie sind das Opfer eines Niedergangs zu DDR-Zeiten, als die Fabriken verrotteten und der Raubbau an natürlichen Reserven schreckliche Ausmaße annahm. Als alles aufgebraucht war, gab die Staatsmacht DDR ihren Geist auf.
"
 


 

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 Seite aktualisiert / erweitert:  
23.04.2003.
Seite eröffnet: Leipzig, 23.04.2003 (Welttag des Buches).


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V.i.S.d.M.: Jürgen Weiß.
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