Krämer, Heinrich:
Die
Wiedervereinigung der Verlagsfirmen B. G. Teubner in Stuttgart und Leipzig 1991:
"Sonderlösung Teubner"
Die politische Teilung
Deutschlands nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und die Unterwerfung des
ersten Buchhandelsplatzes der Welt,
Leipzig, unter sowjetisches Regime hatte
1945 auch die Konfiskation führender Leipziger Verlage zur Folge, deren Inhaber,
welche ihre Existenz und die ihrer Unternehmen bedroht sahen, den Gründungsort
aufzugeben gezwungen waren, die sowjetische Besatzungszone verließen und den
Sitz ihrer Firmen in den Westen Deutschlands verlegten. Diesen Wandel und
vollständigen Neuaufbau erfuhren außer B. G. Teubner, dem größten deutschen
Schulbücher-Verlag und wissenschaftlichen Verlag, u. a.
auch die Leipziger Verlagsfirmen Breitkopf & Härtel (Wiesbaden), F. A.
Brockhaus (Wiesbaden), Reclam (Stuttgart) und Georg Thieme (Stuttgart). Ihre
konfiszierten Firmen in Leipzig wurden mit wertvollen Verlagsrechten den
rechtmäßigen Inhabern geraubt, enteignet und als "volkseigene Betriebe" oder als
unter staatliche Treuhandschaft gestellte Betriebe mit staatlicher Beteiligung
widerrechtlich durch das DDR-Regime von 1949 bis 1990 weitergeführt.
Der Komplementär der Firma B. G. Teubner,
Martin Giesecke, Ururenkel des
Firmengründers
Benedictus Gotthelf Teubner, hatte vorsorglich
1946 die B. G. Teubner Verlagsgesellschaft m.b.H. in Hagen (Westfalen)
gegründet, um verlegerisch unabhängig in den angloamerikanischen Besatzungszonen
Westdeutschlands tätig werden zu können, und er rief 1948 den Verlag für
Wissenschaft und Fachbuch GmbH in Bielefeld ins Leben, um wissenschaftliche
Bücher und Fachbücher auf dem westdeutschen Markt herauszugeben und zu
verbreiten und den im Westen ansässigen Teubner-Autoren Verlagsheimat und
Honorargarantie zu geben.
Im Januar 1947 gründete Martin Giesecke in Leipzig die B. G. Teubner
Verlagsgesellschaft KG, die im August 1947 die Verlagslizenz der sowjetischen
Militärregierung erhielt. Diese neue Gesellschaft nahm das Verlagsgeschäft der
Firma B. G. Teubner wahr, die bis zur Errichtung der neuen Verlagsgesellschaft
sowohl den Verlag als auch den graphischen Betrieb umschloss. Der Graphische
Betrieb B. G. Teubner – bis zu seiner
Zerstörung am 4.
Dezember 1943 das viertgrößte Druckereiunternehmen in Deutschland – wurde
wiederaufgebaut, 1952 unter staatliche Treuhandschaft gestellt und unter seinem
Firmennamen bis 1968 weitergeführt, sodann mit der Reclam-Druckerei in der neu
gegründeten Firma Grafia KG zusammengeschlossen und schließlich in den frühen
siebziger Jahren enteignet und in einen Volkseigenen Betrieb – den VEB
Interdruck – überführt.
Um den Teubner-Verlag im Dienste der freien Wissenschaft als Privatunternehmen
weiterführen zu können, musste sich
Martin Giesecke im Oktober 1952
entschließen, Leipzig und die DDR zu verlassen. Die verlegerische Tätigkeit des
Teubner-Verlages nahm von der Jahreswende 1952/53 an die B. G. Teubner
Verlagsgesellschaft m.b.H. wahr, deren Sitz von Hagen nach Stuttgart verlegt
wurde (eingetragen im Handelsregister Stuttgart am 23.1.1953). Die Sitzverlegung
der Firma B. G. Teubner, der Inhaberin der Teubner-Verlagsrechte, von Leipzig
nach Stuttgart erfolgte zur gleichen Zeit (eingetragen im Handelsregister
Stuttgart am 13.2.1953). Der Sitz der 1947 gegründeten B. G. Teubner
Verlagsgesellschaft KG wurde im März 1955 von Leipzig nach Stuttgart verlegt.
Nach Übertragung des Vermögens einschließlich aller Rechte auf die B. G. Teubner
Verlagsgesellschaft m.b.H., Stuttgart, wurde die Kommanditgesellschaft aufgelöst
und gelöscht.
Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.1.1956 wurde festgestellt, dass
die Sitzverlegung der Firma B. G. Teubner von Leipzig nach Stuttgart, die
Sitzverlegung der Firma B. G. Teubner Verlagsgesellschaft von Leipzig nach
Stuttgart, die Übertragung des Vermögens der B. G. Teubner Verlagsgesellschaft
auf die B. G. Teubner Verlagsgesellschaft m.b.H. rechtswirksam erfolgte und dass
die B. G. Teubner Verlagsgesellschaft in Leipzig rechtswirksam erlosch.
Aus dem Urteil des Landgerichts ergab sich mithin, dass Firmenname und
Verlagsrechte allein den Teubner-Firmen in Stuttgart zustehen.
Widerrechtlich wurden die Firmen B. G. Teubner und B. G. Teubner
Verlagsgesellschaft in Leipzig als konfiszierte und in staatliche Verwaltung
übernommene oder enteignete Privatunternehmen von 1952 bis 1990 weitergeführt
und wichtige, den rechtmäßigen Firmen entzogene Verlagsrechte genutzt, etwa die
"Bibliotheca Teubneriana", als bedeutendste Sammlung kritischer griechischer und
lateinischer Textausgaben auf dem Weltmarkt, und der "Thesaurus linguae
Latinae", das größte lateinische Wörterbuch.
1968 wurde zwischen B. G. Teubner Stuttgart und dem Leipziger Betrieb – unter
Ausschluss von Rechtsansprüchen – eine Vereinbarung folgenden Inhalts getroffen:
Um beide Verlage auf dem Buchhandelsmarkt zu unterscheiden und um die Teubner
Leipzig aufgezwungenen Rechtsverhältnisse offenzulegen, wurde die Firmierung des
Leipziger Betriebes geändert in: "BSB B. G. Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig" (BSB = Betrieb mit staatlicher
Beteiligung).
B. G. Teubner Stuttgart ersetzte das bisher geltende Verbot des Vertriebs von
Werken des Leipziger Verlages durch die Erlaubnis, die mit der neuen Firmierung
versehenen Verlagswerke des Leipziger Hauses in der Bundesrepublik Deutschland
uneingeschränkt zu verbreiten; auch wurde dem Leipziger Betrieb die Ausstellung
seiner Werke auf der Frankfurter Buchmesse gestattet.
Durch diese Vereinbarung leitete B. G. Teubner Stuttgart eine verlegerische
Verbindung mit dem Leipziger Hause ein, aus der sich auch eine Kooperation auf
den mathematisch-naturwissenschaftlichen Verlagsgebieten in den siebziger und
achtziger Jahren entwickelte.
Kontinuierliche Gespräche zwischen dem Geschäftsführer des Teubner-Verlages in
Stuttgart und dem Verlagsleiter des Leipziger Betriebes förderten die
Zusammenarbeit, ohne dass B. G. Teubner Stuttgart einen Einfluss auf die Planung
und Produktion der Leipziger Verlagsgesellschaft hatte. Gespräch und Kooperation
waren den späteren Verhandlungen über die Vereinigung der seit nahezu 40 Jahren
getrennten Firmen günstig.
Schon in der ersten Phase des Niedergangs der DDR, der sich vom 4. Quartal 1989 bis zum Ende des 3.
Quartals 1990 vollzog, bat der Verlagsleiter des Leipziger Hauses,
Heinz Kratz, den Geschäftsführer der B. G.
Teubner GmbH Stuttgart,
Heinrich Krämer, in
einem Gespräch im Februar 1990 in Stuttgart, die
Führung der Geschäfte der B. G. Teubner Verlagsgesellschaft in Leipzig zu
übernehmen.
Die beiden Firmen vollzogen zunächst die "Absichtserklärung" vom 27. April / 14.
Mai 1990 mit folgendem Wortlaut:
"Die diese Erklärung abgebenden Partner stimmen in der Absicht überein, ein
Konzept zu erarbeiten und umzusetzen, nach dem die Aktivitäten des BSB B. G.
Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig in einer ausschließlichen Partnerschaft mit
dem Verlag B. G. Teubner GmbH, Stuttgart, nach den Anforderungen eines
Wettbewerbsmarktes gemeinsam betrieben werden."
Als Ziel der eingeleiteten Kooperation erklärten die Geschäftsführung Stuttgart
und die Verlagsleitung Leipzig übereinstimmend die Übernahme aller
Kapitalanteile der B. G. Teubner Verlagsgesellschaft KG, Leipzig, durch die B.
G. Teubner GmbH, Stuttgart, und damit den gesellschaftsrechtlichen
Zusammenschluss, mit der Maßgabe, den Leipziger Verlag am Gründungsort der Firma in der Rechtsform einer
GmbH als Tochtergesellschaft weiterzuführen und durch den Neuaufbau des
verlegerischen Geschäftes zu einem ertragsfähigen Unternehmen zu entwickeln.
Die Übernahmeverhandlungen erstreckten sich über das gesamte Jahr 1990 und das
erste Quartal 1991, in Abhängigkeit von der politischen Entwicklung und
Gesetzgebung, welche in die Wiedervereinigung durch den Einigungsvertrag vom 3.
Oktober 1990 mündeten. Ihm war die Herstellung der DM-Währungseinheit im Juli
1990 vorausgegangen. Dem Einigungsvertrag war das DM-Bilanzgesetz als Anhang
beigegeben, das die Grundlage für die Firmenbewertung schuf.
Mit der Ermittlung des Unternehmenswertes der B. G. Teubner Verlagsgesellschaft
KG, Leipzig, wurde durch die B. G. Teubner GmbH Stuttgart und ihre
Muttergesellschaft Giesecke & Devrient, München, die KPMG Deutsche
Treuhand-Gesellschaft beauftragt.
Die DM-Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 zeigte den hohen Überschuldungsgrad der
staatlich gelenkten Leipziger Verlagsgesellschaft, den der Zwischenabschluss der
Gesellschaft zum 31. Oktober 1990 mit einem ausgewiesenen Verlust von DM 563.000
bestätigte.
Der Bericht der KPMG über die Ermittlung des Gesamtwertes der B. G. Teubner
Verlagsgesellschaft KG, Leipzig, zum 31. Oktober 1990 stellte fest, dass der
Liquidationswert sowie der Teilrekonstruktionswert nicht positiv sind. Daraus
zog die KPMG den Schluss, dass ohne eine neue gesellschaftsrechtliche Bindung
und ohne Zusammenarbeit mit B. G. Teubner Stuttgart zur Durchführung eines
Sanierungskonzeptes nicht mit positiven Ertragsüberschüssen in absehbarer Zeit
gerechnet werden könne. Ein bis zur Jahreswende 1990/91 erwarteter Gesamtverlust
von 1 Million DM und drohender Konkurs beschleunigten die nach Abschluss der
Bewertungsgutachten dringend gebotenen Verhandlungen zwischen B. G. Teubner
Stuttgart und der allein zuständigen Treuhandanstalt in Berlin.
Die noch von der Regierung der DDR im Frühjahr 1990 gegründete Treuhandanstalt
verwaltete als geschäftsführende Gesellschafterin die Kapitalanteile aller auf
dem Gebiet der DDR ansässigen Firmen – volkseigener Betriebe ebenso wie unter
staatliche Treuhandschaft gestellter und mit staatlicher Beteiligung geführter
Betriebe – mit der Aufgabe, die Firmen zu privatisieren, also zu veräußern, zu
sanieren oder zu liquidieren. Die Treuhandanstalt hielt als Komplementärin auch
die Kapitalanteile der B. G. Teubner Verlagsgesellschaft KG, Leipzig.
Die Kaufverhandlungen wurden im Januar 1991 in der Treuhandanstalt in Berlin aufgenommen. Den Gang der Gespräche beeinflusste
namentlich die von der Geschäftsführung der B. G. Teubner GmbH im Einklang mit
der Verlagsleitung der Leipziger Verlagsgesellschaft entwickelte "Konzeption der
Zusammenarbeit und der gesellschaftsrechtlichen Bindung" zwischen den Teubner-Firmen in Stuttgart und Leipzig, die den Zusammenschluss beider
Gesellschaften auf dem Wege der Wiedereingliederung des Leipziger Verlages als
das kurzfristig zu erreichende Ziel begründete.
Zum Zwecke der Konstituierung eines dazu notwendigen Gesellschaftsrechtes
gründete die B. G. Teubner GmbH im Februar 1991 eine für die künftige
verlegerische Tätigkeit in Leipzig, dem Gründungsort der Stammfirma (1811),
ausersehene Tochtergesellschaft mit Sitz in Stuttgart: die B. G. Teubner
Verlagsgesellschaft mbH.
Nach drei Monate dauernden Verhandlungen, die für die Treuhandanstalt der
Vertreter der Direktion Recht sowie der eigens für die Sparte Verlage berufene
Berater Dr. Albrecht Greuner, ehemaliger Geschäftsführender Gesellschafter des
Georg Thieme Verlages Stuttgart, in konstruktivem Geiste führten, wurde der
Erwerb des Handelsgeschäftes mit Übernahme der Aktiva der B. G. Teubner
Verlagsgesellschaft KG, Leipzig, durch B. G. Teubner Stuttgart vereinbart. Diese
Form des Erwerbs ging als die "Sonderlösung Teubner" in die Geschichte der
Treuhandanstalt ein; sie wurde 1992 nochmals auf die Wiedervereinigung des
Reclam-Verlages Leipzig mit dem Stammhaus Philipp Reclam jun.,
Stuttgart-Ditzingen, angewendet.
Durch den mit der Treuhandanstalt Berlin geschlossenen Kaufvertrag vom 16. April
1991 erwarb die B. G. Teubner GmbH Stuttgart durch ihre Tochtergesellschaft, die
B. G. Teubner Verlagsgesellschaft mbH, zum Kaufpreis von rund 1 Million DM das
Handelsgeschäft der Firma B. G. Teubner Verlagsgesellschaft KG, Leipzig, also
die Aktiva einschließlich aller Verlagsrechte, unter Übernahme von 22 in der
Leipziger Firma tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die B. G. Teubner
Verlagsgesellschaft KG, Leipzig, wurde durch die Treuhandanstalt im Mai 1991
liquidiert und gelöscht. Die B. G. Teubner Verlagsgesellschaft mbH verlegte
durch Gesellschafterbeschluss vom 6. Mai 1991 ihren Sitz von Stuttgart
nach Leipzig und vollzog am Stammort der Firma den verlegerischen Neuaufbau.
Nach fast 40jähriger Trennung wurden im 180. Jahr des Bestehens von B. G.
Teubner die Teubnerschen Verlage mit allen Verlegerrechten und der gesamten
geistigen und wirtschaftlichen Substanz wieder vereint. Der Kaufvertrag war das
Gründungsdokument dieser Einheit.
Die Tochtergesellschaft in Leipzig erzielte im dritten vollen Geschäftsjahr
erstmals einen Gewinn aus verlegerischem Neuaufbau und bestätigte in den
Folgejahren ihre Ertragsfähigkeit durch positive Unternehmensergebnisse. Die
Gesamtfirma B. G. Teubner – mit ihren Hauptarbeitsgebieten
Altertumswissenschaft,
Mathematik, Informatik, Physik, Chemie, Geographie sowie
den Ingenieurwissenschaften Bauwesen, Maschinenbau,
Elektrotechnik/Nachrichtentechnik – festigte, auch durch die von der Vereinigung
gesteuerten Impulse, ihren Ruf als führender wissenschaftlicher Verlag und
Fachverlag auf dem deutschsprachlichen Markt. Als im Urteil der Philologen
wichtigster altertumswissenschaftlicher Verlag entfaltete B. G. Teubner auch auf
den ausländischen Märkten besonders der USA, Großbritanniens und Italiens eine
für die Gelehrten, Studenten und Bibliotheken segensreiche Tätigkeit, namentlich
mit den beiden vier Jahrzehnte nach Ost und West geteilten und nun wieder
zusammengeführten Reihen der BIBLIOTHECA TEUBNERIANA (seit 1849), die 1999 mehr
als 480 selbständige kritische Textausgaben griechischer und lateinischer
Schriftsteller umfasste, der neuentwickelten CD-ROM BIBLIOTHECA TEUBNERIANA
LATINA mit mehr als 500 lateinischen Autoren und 1000 Werken aus 8
Jahrhunderten, und dem THESAURUS LINGUAE LATINAE (seit 1900), mit 150
erschienenen Faszikeln, sowie der BYZANTINISCHEN ZEITSCHRIFT (seit 1892) und dem
ARCHIV FÜR PAPYRUSFORSCHUNG (seit 1901) als den Zentralorganen ihres Fachs.
Zahlreiche führende Gelehrte auch des Auslandes unterstützten den Verlag durch
ihre Mitwirkung als Herausgeber und Autoren, namentlich D. R. Shackleton Bailey
(Horaz) und Martin L. West (Aeschylus; Homer, Ilias).
Als Tochtergesellschaft der Firma
Giesecke & Devrient, München (seit 1969), hat
die B. G. Teubner GmbH in dreißigjähriger Verlagstätigkeit, die eine neue
Hochblüte des Unternehmens in allen Stammdisziplinen heraufführte, ihrer
Marktstellung als führender wissenschaftlicher Verlag angemessene Bilanzgewinne
als Markstein des wirtschaftlichen Erfolges erzielt. Durch stetig vermehrte
Gewinnrücklagen hat die Verlagsfirma ein ihr Handlungsvermögen sicherndes, für
die Weiterentwicklung aller Arbeitsgebiete, für die Erschließung des
Inlandsmarktes und der ausländischen Märkte durch verbesserten Vertrieb und für
dazu notwendige Höchstinvestitionen auch langfristig hinreichendes Eigenkapital
gebildet. Das im Verein mit mehr als 1500 Autoren geschaffene und mehr als 2400
selbständige Werke umfassende Verlagsprogramm sowie die sehr hohe
Eigenkapitalquote gewährten der Verlagsfirma B. G. Teubner, die sich als
verbreitende Sparte der Wissenschaft verstand und im Vertrauen ihrer Autoren
wurzelte, die Freiheit wirtschaftlicher Unabhängigkeit bis zum Wechsel des
Gesellschafters im Jahre 1999.
Im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts, nach der Wiedervereinigung der beiden
Teile Deutschlands, hat B. G. Teubner, dem ein sehr erhebliches, seit 1952
größtenteils enteignetes,
Grundvermögen im Leipziger
Graphischen Viertel Georgiring - Poststraße -
Querstraße - Teubners Hof zu eigen war, im Auftrag der Muttergesellschaft von 1990 bis 1999 die Restitution des Teubner-Grundbesitzes in Leipzig nach dem Vermögensgesetz durch schwierigste
zehnjährige Verhandlungen mit dem Sächsischen Landesamt zur Regelung offener
Vermögensfragen, mit der Treuhandanstalt sowie mit der Telekom, als Nutzer
Teubnerscher Gebäude, erfolgreich mit respektablen Verkaufsergebnissen und
Entschädigungserlösen abgeschlossen.
Die Bilanzgewinne aus verlegerischer Tätigkeit
und namentlich auch die Ergebnisse der Restitution des
Teubnerschen Grundbesitzes kamen der
Muttergesellschaft Giesecke & Devrient in München als besonders werthaltige
Gesamtleistung der Firma B. G. Teubner voll zugute. Die Festschrift
"GIESECKE & DEVRIENT 1852-2002. Werte im Wandel der Zeit / Herausgegeben zum
Jubiläum des Unternehmens. München 2002" sagt über die Restitution des in Leipzig
gelegenen Teubnerschen Grundvermögens: "Diese konnte 1999 durch Erlöse
erheblichen Umfangs, von denen 50 Prozent gemäß dem Vertrag von 1969 an die
Alteigentümer flossen, abgeschlossen werden."
Die Wiedervereinigung der Teubnerschen Verlage wurde mit Beginn des 187.
Geschäftsjahres 1998 durch die Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechtes in
Gestalt der Verschmelzung der Tochtergesellschaft in Leipzig mit der
Muttergesellschaft zu einer wieder einzigen Firma B. G. Teubner, mit Sitz in
Stuttgart und Betriebsstätte in Leipzig, abgeschlossen.
Im 188. Geschäftsjahr 1999 wurde der Verlag B. G. Teubner GmbH – zwei Jahre nach
dem Tod von
Siegfried Otto, der als Inhaber der Firma Giesecke & Devrient die
ihr seit mehr als 130 Jahren familiär eng verbundene traditionsreiche
Verlagsfirma 1969 in sein Unternehmen als Eigentum auf Dauer aufgenommen hatte –
durch die Muttergesellschaft, aus Gründen der Konzentration auf ihre
Hauptarbeitsgebiete, an die Firma Bertelsmann AG veräußert. Die neue
Alleingesellschafterin trennte sich von nahezu allen
der mehr als 50 Stuttgarter und Leipziger Teubner-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, schloss den Sitz der Firma in
Stuttgart und Leipzig, verlegte den Firmensitz nach Wiesbaden, fügte den Verlag
in die Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer ein und spaltete B. G. Teubner auf,
indem sie den ältesten, seit 1824 existierenden Verlagszweig
"Altertumswissenschaft" im November 1999 an die K. G. Saur Verlag GmbH, München
(im Besitz der kanadischen Thomson Corporation, Toronto), veräußerte und Anfang 2002 die seit mehr als 100 Jahren
bestehende Verlagsdisziplin "Geographie" an die E. Schweizerbart'sche
Verlagsbuchhandlung - Gebrüder Bornträger Verlagsbuchhandlung, Stuttgart,
verkaufte.
Der Altertumswissenschaftliche Verlag B. G. Teubner, der im 19. Jahrhundert, vor
und neben dem Teubnerschen Mathematischen Verlag, den Weltruhm der Firma
begründete, darf seinen Namen unter der neuen Inhaberschaft nicht mehr führen
und wird ohne diese Firmierung seine Identität auf dem Weltmarkt einbüßen; diese
gravamina werden seinem Wettbewerb mit den
konkurrierenden Verlagsfirmen in Oxford, Cambridge, Harvard und Paris nicht
förderlich sein. Ein
in der Altertumskunde maßgebender Gelehrter urteilte am Beginn des Jahres 2000:
"Der Verlag B. G. Teubner hat die Teilung überstanden, nicht aber die
Wiedervereinigung, auf die wir alle noch vor einem Jahr stolz waren."
Die Bertelsmann AG hat durch ihren Vorstand im Juni 2002 beschlossen, die
Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer und mit ihr die Firma B. G. Teubner GmbH
drei Jahre nach ihrem Erwerb zu verkaufen.
Der zweifache Gesellschafterwandel und Eigentumsübergang in der Frist eines
nicht einmal halben Jahrzehnts offenbart beispielhaft, in welchem Maße führende Firmen des
deutschen Verlagsbuchhandels in ihren geistigen Wurzeln und ihrer
wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Lebenssubstanz beschädigt und dem Spiel
der die Märkte allein durch ihre Größe dominierenden Mächte ausgesetzt werden.
Schwieberdingen, Februar 2003
(Quelle:
Dr. h. c. Heinrich Krämer, Schwieberdingen / Archiv der Stiftung Benedictus Gotthelf Teubner
Leipzig / Dresden / Berlin / Stuttgart 2003.)
Erstveröffentlichung online am
17.03.2003 unter www.stiftung-teubner-leipzig.de
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Seite
aktualisiert / erweitert:
17.03.2003.
Seite eröffnet: Leipzig,
21.02.2003.
©
Stiftung Benedictus Gotthelf Teubner Leipzig / Dresden / Berlin / Stuttgart 2003.
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